Der Titel klingt ein bisschen verrückt, nicht wahr? Und doch bin ich erstens überzeugt, dass sehr viel mehr Menschen Dialoge mit Geistern führen, als vielleicht angenommen. Und zweitens weiss ich aus eigener Erfahrung, wie hilfreich solche Gespräche sein können.
Versetz dich doch bitte einmal in folgende Lage: Yvonne ist 21, als sich ihre beste Freundin Betty das Leben nimmt. Am Abend vor ihrem Tod versucht Betty acht Mal, Yvonne anzurufen – jedoch vergeblich. Yvonne sieht zwar, dass ihr Handydisplay leuchtet, doch sie schaut sich gerade mit ihrem Tinder-Date einen Film im Kino an. Als sie nach Hause kommt, ist es bereits nach Mitternacht. Zu spät, um zurück zu rufen, denkt sie. Als sie am nächsten Tag aufwacht, entdeckt sie weitere verpasste Anrufe auf ihrem Handy. Dieses Mal von Bettys Mutter Sonja. Besorgt ruft Yvonne zurück und erfährt, dass sich Betty in den frühen Morgenstunden vor den Zug geworfen hat. Yvonne wird heiß und kalt. Sie kann es gar nicht glauben. Es muss ein Scherz sein. Vielleicht träumt sie ja noch? Doch Sonjas lautes Schluchzen holt sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Betty ist weg. Und sie hätte ihre Freundin retten können! Hätte sie nur ihre Anrufe entgegengenommen. Ihr wäre bestimmt etwas in den Sinn gekommen, um Betty wieder Hoffnung zu geben. Wut und Verzweiflung durchfluten abwechslungsweise ihren Körper. Und dann ist da noch Schuld. Es fühlt sich an, als trüge sie plötzlich einen Rucksack, der mit Steinen gefüllt ist. Schliesslich hatte sie gewusst, dass Betty zu kämpfen hatte.
Emotionaler Ballast
Szenenwechsel: Yvonne ist mittlerweile 32 Jahre alt. Sie hat ein kleines Kind und einen Ehemann. Nach aussen hin wirken die drei wie eine glückliche Familie. Doch es ist schwierig. Yvonne fällt es schwer, sich zu öffnen. Ihr Mann Stan ist frustriert, weil er nicht wirklich an sie heran kommt. Oft scheint es, als lebe sie irgendwie in ihrer eigenen Welt. Auch Yvonnes Sohn leidet phasenweise sehr unter ihrer emotionalen Abwesenheit. Er hat oft Wutanfälle und zieht sich selbst immer mehr in seine eigene Welt zurück. Irgendwann kommt der Punkt, an dem Stan und Yvonne klar wird, dass es so nicht weiter gehen kann. Yvonne erzählt einer medial veranlagten Freundin von ihrem Problem. Diese nimmt sogleich wahr, dass eine junge Frau namens Betty mit Yvonne Kontakt aufnehmen will. Yvonne ist überwältigt, denn sie dachte, dass dieses Kapitel ihres Lebens abgeschlossen sei. Die Freundin teilt Yvonne mit, dass Betty nicht wütend sei und es ihr sehr gut gehe. Dass Yvonne ihren Tod nicht hätte verhindern können und dass Betty ihr die Nähe, die sie beide hatten, wieder wünsche. Sie verstehe, dass sie Angst davor habe, wieder jemanden zu verlieren und dass sie sich immer noch Vorwürfe mache. Doch sie sei auch nach ihrem Tod Teil von ihrem Leben geblieben. Yvonne weint sich ihren ganzen Kummer von der Seele. Bettys Worte haben unglaublich gut getan und sie fühlt sich gestärkt. Nun kann sie sich wieder vorstellen, anderen Menschen ihr Herz zu öffnen.
Yvonnes Gespräch mit dem Geist ihrer verstorbenen Freundin hat ihr geholfen, ein Trauma aufzuarbeiten. Dabei war ihr nicht einmal bewusst gewesen, wie stark sie dieses Ereignis noch belastete.
Vielleicht gehörst du zu jenen Menschen, die nicht an mediale Begabungen glauben. Doch darum geht es hier gar nicht. Denn durch Erfahrung kannst auch du als Skeptiker*in dich davon überzeugen, wie hilfreich Dialoge mit geistigen Wesen (seien das Tote oder Wesen aus deiner Vorstellung) sein können. Dafür braucht es eigentlich nur ein bisschen Offenheit von deiner Seite her.
Interessiert an einem kleinen Experiment? Dann los!
Schnapp dir wahlweise Block und Stift oder deinen Laptop (es kann auch die alte Schreibmaschine deines Urgrossvaters sein, wenn dir das am liebsten ist) und setze dich irgendwo hin, wo du für eine Weile ungestört bist. Schreibe die Fragen auf, die dich gerade beschäftigen. Dann komm bei dir selbst an, indem du beispielsweise einen kurzen Bodyscan machst (dabei gehst du einfach mit deiner Aufmerksamkeit von Körperteil zu Körperteil, bis du alles durch hast). Atme ein paarmal tief in deinen Herzraum. Überlege dir, wen du um Hilfe bitten würdest, wenn du jede Person und jede Figur – egal, ob lebendig oder tot, real oder fiktiv – erreichen könntest. Sobald du eine Idee hast, darfst du deine Augen schliessen. Nun geht es darum, dir die Begegnung mit diesem Wesen so intensiv und realistisch wie möglich vorzustellen. Überlege dir, wo du dich befindest, wie es dort aussieht, wie es riecht, was du fühlst. Wenn du ganz in dieser Szene angekommen bist, darfst du dein Gegenüber einladen. Wenn es erscheint, darfst du wieder mit allen Sinnen wahrnehmen. Du kannst dich beispielsweise fragen, wie es aussieht, was es trägt und wie sich seine Anwesenheit anfühlt. Ich empfehle dir, die Meditation so zu machen, wie sie dir entspricht (du musst also nicht jeden dieser Punkte abhaken ;)). Wenn du dich bereit fühlst, kannst du damit beginnen, deinem Gegenüber Fragen zu stellen. Versuche das Gespräch so zu führen, wie du mit einem Freund sprechen würdest. Das heisst, du legst deinem Gegenüber keine Worte in den Mund, sondern versuchst, einfach hinzuhören und wahrzunehmen. Gut möglich, dass das am Anfang ein bisschen Übung braucht. Doch irgendwann wird es sich ganz natürlich anfühlen. Sobald eine Antwort kommt, kannst du damit beginnen, sie aufzuschreiben. Überlege nicht, sondern schreibe einfach auf, was bei dir ankommt. Wenn du deine Antworten hast, darfst du dich von deinem Helfer verabschieden und wieder in den Raum zurück kommen. Schüttle dich, atme tief ein und aus und lass deinen Blick durch den Raum gleiten, bis du wieder vollständig «da» bist.
Mir persönlich helfen solche Meditationen immer sehr, mich besser zu fühlen. Ich hoffe, dass auch du davon profitieren kannst.
Bild: Enrique Meseguer auf Pixabay